Ich bin immer wieder von den M?glichkeiten, welches das System bietet, überrascht. Wenn du eine Kreatur t?test, bekommst du dafür Erfahrung und Sil. Bist du allerdings als Gruppe unterwegs, hat jeder unterschiedliche Aufgaben. In meiner Kombination mit Clara ist es meine Aufgabe, alles in Sichtweite nieder zu strecken, w?hrend sie mir nach M?glichkeit alle Biester vom Leib h?lt. Allerdings würde ich somit auch den Gro?teil der Erfahrung einheimsen und Clara h?tte nicht besonders viel von dieser Aktion. Genau dafür kann man sich in einer, vom System anerkannten, Gruppe zusammenschlie?en. Die Erfahrung und das Sil werden dann fair zwischen allen Mitgliedern aufgeteilt. Ich finde es gro?artig, dass es so etwas gibt.
Wir beginnen mit ein paar Level 13 Ratten, welche keine gro?e Gefahr für uns darstellen. Allerdings k?nnen wir uns so ein wenig aneinander gew?hnen. Clara ist mir insgesamt ein wenig zu angriffslustig. Im Prinzip nutzt sie die gleiche Strategie wie ich auch. Sie tauscht permanent Schl?ge mit den Ratten ab. Dank ihrer Lederrüstung, kommt sie allerdings wesentlich besser davon, als das bei mir der Fall war. Die Ratten scheinen nicht wirklich durch das Leder zu kommen.
“Siehst du, ich habe dir doch gesagt, dass Level 13 Ratten für uns kein Problem sein werden,” spricht sie selbstsicher. Ich meine, das Ergebnis gibt ihr Recht.
“Wie sieht es gegen Level 15 und 16 Nager aus,” frage ich, “bist du da genauso zuversichtlich?” “Drei oder vier von den Biestern kriege ich schon irgendwie in Schach gehalten. Du musst ihnen nur zeitnah das Licht ausblasen und alles ist super.” Ich bin zwar skeptisch aber werde noch früh genug herausfinden k?nnen, ob ihre Behauptungen wahr sind. Wir legen uns noch mit einer weiteren Gruppe Ratten an, bevor wir uns dazu entscheiden, zur Hauptjagd überzugehen.
Mir f?llt allerdings auch ein Nachteil der Gruppenfunktion auf. Eigentlich sollte so eine Ratte 13 Erfahrung geben, wir haben allerdings nur insgesamt zw?lf Punkte erhalten. Anscheinend werden ungerade Zahlen einfach abgerundet? Nicht das ich mich beschweren m?chte. Mir geht es blendend und meine Kleidung hat nicht einen Kratzer abgekommen. Ich entscheide mich schlie?lich dafür, zwei meiner freien Attributspunkte in Einsicht zu investieren. Alles, worauf ich bei diesem Ausflug achten muss, ist nicht im Weg zu stehen und immer genug Mana für meinen Zauber zu haben. Meine Manaregeneration also auf 4 zu erh?hen, erscheint mir überaus sinnvoll.
Auch wenn ich es bei meinen ersten Besuch hier unten nicht wirklich bemerkt habe, so scheint Clara doch Recht zu haben. Die Tunnel werden tats?chlich breiter. Unsere n?chste Aufeinandertreffen findet mit sechs von den Biestern statt. Die junge Kriegerin versuch ihr Bestes, wird aber von einem unsch?nen Schwanzhieb zur Seite gerissen und zwei der Mistviecher stürzen sich auf mich. Ich reagiere einen Ticken zu sp?t um dem Frontalangriff ausweichen zu k?nnen.
Mein Brustkorb schmerzt aber wenigstens bin ich so dem Klauenhieb des zweiten Angreifers entkommen. “Torben!” h?re ich Clara panisch durch die H?hle schreien. Verblüfft schaue ich zu der heran eilenden Frau. Ich bin mir nicht sicher, ob mich ihre Einstellung beruhigt oder kr?nkt. Als ob meine Wenigkeit nicht mit zwei popeligen Ratten zurecht kommt. “Alles gut, kümmer du dich um die anderen Zwei,” rufe ich ihr zu. Mit einem Tritt verschaffe ich mir etwas Zeit und bereite den n?chsten Zauber vor. Die Ratte selbst hat jedoch andere Pl?ne.
Ich komme nicht drum herum vor Schmerzen einmal zu schreien. Warum bei?en mir die Biester eigentlich immer in den Unterschenkel? Das ich auf diese Weise meinen Manabolzen nicht verfehlen kann, macht es nicht wirklich besser. Ich rolle zur Seite um den m?chtigen Satz seines Kollegen zu entkommen. Der Nager setzt zum n?chsten Angriff an, als ihn ein Stein am Kopf trifft. “Leg dich gef?lligst mit jemanden an der sich auch wehren kann, du Mistvieh!” Die Ablenkung der Kriegerin gibt mir genug Zeit und mein zweiter Zauber trifft ebenfalls ins Schwarze. Ich versuche unmittelbar Clara zu unterschützen aber sehe direkt, dass meine Hilfe nicht von N?ten ist. Nachdem die Kriegerin die Ratte erledigt hat, kommt sie im Laufschritt angetrabt.
“Bist du okay? Soll ich dich tragen?” Ich schaue sie mit einem irritierten Gesichtsausdruck an. “Nur ein gr??erer Kratzer, nichts Lebensgef?hrliches.” Zum Glück kann ich den Stab als Gehhilfe benutzen. “Lass uns ein Stück den Gang zurück gehen und warten, bis mein Bein geheilt ist.”
Selbst als wir uns an einen guten Punkt niedergelassen haben, dauert es eine ganze Weile, bis die Kriegerin erneut das Wort an mich richtet: “Haben dich die Ratten etwa nur gestreift?” Ungl?ubig schaue ich zuerst Clara an und dann auf meine langsam heilende Wade. “Gestreift würde ich es zumindest nicht nennen.” “Wie kommt es dann, dass du okay bist? Zwei Ratten sollten eigentlich keine Probleme haben einen Magier in Stücke zu rei?en.” “Indem ich nicht so ein Weichei bin und genug Punkte in Vitalit?t besitze, um solche Kleinigkeiten verkraften zu k?nnen.” Okay, vielleicht übertreibe ich hier ein wenig. Mein Bein schmerzt tierisch und die Auseinandersetzung hat mich sowohl die H?lfte meiner Lebenspunkte als auch meine Fluchtm?glichkeit gekostet. “Wieviel Vitalit?t besitzt du denn?”, fragt die Kriegerin. “Genug”, ist meine knappe Antwort.
Die n?chsten drei Stunden vergehen gr??tenteils, ohne das jemand von uns etwas zu sagen hat. Meinem Bein geht es wieder gut genug, sodass ich ohne gro?e Probleme laufen kann und mein Manavorrat sieht auch gut aus. “Neue Runde, neues Glück.”
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Es ist mitten in der Nacht. Dennoch bin ich viel zu aufgeregt, als dass ich einfach so schlafen k?nnte. Fast 200 Erfahrung an einem Tag! Ich musste mich auf den Rückweg selber kurz kneifen, um das wirklich fassen zu k?nnen. Allerdings ist Torben v?llig wahnsinnig! Ich konnte buchst?blich durch sein Bein gucken und Stunden sp?ter zaubert er schon wieder als w?re das gar nicht passiert! Au?erdem hat kaum eine Ratte mehr als einen Treffer von ihm überlebt. Er ist also nicht nur verrückt und h?lt mehr als einen Windhauch aus, sondern ist auch gleichzeitig ziemlich stark.
Meine Eltern waren natürlich alles andere als begeistert von meinem Abenteuer. Wie ich nur mit einem Wildfremden in Ratbi’s H?hle gehen k?nnte. Was mir alles h?tte passieren k?nnen. Bin ich etwa immer noch zw?lf? Mit wem soll ich denn sonst leveln gehen? Paps hat keine K?mpferklasse und Mutter geh?rt zu den Handvoll von Rang 2 Leuten im Dorf. Diese haben in der Regel Besseres zutun als mir bei der Rattenjagd zu helfen. Torben ist ohne Frage ein schr?ger Vogel. Das ist aber meilenweit besser als die alten S?cke, welche den ganzen Tag nichts anderes machen als sich volllaufen zu lassen. Ich bin dank heute sogar schon ein ganzes Stück an Level 18 herangerückt. Ich bin furchtbar gespannt, welche Spezialisierungen das System für mich bereith?lt.
Meine Euphorie wird die n?chsten Tage allerdings in Arbeit erstickt. Ich putze das gesamte Haus von oben bis unten, hole und bringe verschiedene Lederwaren für Paps und helfe schlie?lich unserem Nachbarn ein neues Blumenbeet anzulegen. Nichts gegen Hilde und ihren Mann aber laut meiner Klassenbeschreibung bin ich immer noch eine Kriegerin und keine G?rtnerin.
“Ich habe alles erledigt und werde morgen wieder zur H?hle aufbrechen,” verkünde ich beim Abendbrot meinen Eltern. “Konntest du Miriam und Tom also überzeugen dir behilflich zu sein?”, fragt meine Mutter neugierig nach. “Nein leider nicht,” ist meine kurze Antwort. Tom ist nunmal Tom aber Miriam benimmt sich die letzten Tage mir gegenüber merkwürdig. Sie ist zwar wieder gesund aber l?uft jedesmal kreidebleich an wenn sie mich sieht. Hoffentlich ist das nur so eine Phase von ihr.
Meine Eltern schauen sich kurz an, bevor mein Vater besorgt das Wort an mich richtet: “Triffst du dich wieder mit dem Abweichler?” “Er heisst Torben aber ja, dass habe ich vor.” Meine Mutter knallt pl?tzlich das Besteck auf den Tisch. “Hast du denn gar nichts aus deiner Zwickmühle gelernt? Du solltest besser auf dich aufpassen und nicht Wildfremden vertrauen! Jungen Frauen k?nnen da drau?en schlimme Dinge passieren.”
“Wenn Torben versuchen sollte mich anzufassen, box ich ihn einfach nieder. Er ist komisch ja, aber ich glaube nicht, dass er ein schlechter Kerl ist. Ich bin kein Kind mehr und kann ganz gut auf mich selber aufpassen.” Mutter scheint allerdings nicht viel von meinen Argumenten zu halten: “Du bist sechzehn Clara. Glaub mir, dieser Mann bringt nur Probleme mit sich.” Jetzt bin ich es die sauer wird: “Wie soll ich denn selber Erfahrungen machen, wenn ihr mir alles M?gliche verbietet? Was ich betteln musste um endlich in die H?hle abtauchen zu dürfen. Nur mit meinen Freunden, nur so und so tief und wehe ich bin nicht bis zum Abend wieder im Dorf. Klaus hatte viel mehr Freiheiten als ich!”
“Die Situation deines Bruders ist doch gar nicht mit Deiner zu vergleichen!” “Genau, weil er ja so viel besser war als die Leute in seinem Alter.” Ich habe es satt dieses Gespr?ch zu führen und stapfe wütend in mein Zimmer.
Als die ersten Sonnenstrahlen den neuen Tag ankündigen, schleiche ich mich aus dem Haus. In meinem Rucksack befindet sich genug Proviant für die n?chsten beiden Tage. Marco ist überrascht, bereits so früh jemanden am Tor zu sehen. Allerdings braucht es nicht viel überzeugungsarbeit und er entl?sst mich in die Natur. Den Weg zu Ratbi’s H?hle k?nnte ich wahrscheinlich mit verbundenen Augen gehen. Die Frage ist nun, wie ich Torben aufst?bern kann. Der Magier hat mir nicht verraten, wo er seine Zeit au?erhalb der Tunnel verbringt. Somit bleibt mir nichts anderes übrig, als es mir im H?hleneingang gemütlich zu machen. Früher oder sp?ter muss er ja an mir vorbei kommen.
Ich schaue vertr?umt dem fallenden Regen zu, als sich endlich eine Gestalt aus dem Wald sch?lt. Mit gro?en Schritten stapft der Magier über den nassen Waldboden und bleibt schlie?lich neben mir stehen. “Wartest du auf jemand bestimmtes?”, fragt mich Torben. Er ist in meiner Abwesenheit erneut ein Level gestiegen. Wenn ich nicht aufpasse, erreicht er noch vor mir Level 20. “Jetzt nicht mehr. Hast du Lust ein paar Ratten zu verprügeln?” Torben l?chelt für einen Moment, bevor vor meinen Augen ein mir gut bekannter Bildschirm erscheint.
Die n?chsten Stunden verbringen wir mit dem Suchen und T?ten der Biester. Endlich kann ich meiner angestauten Wut freien lauf lassen. Allerdings bin auch ich nur ein Mensch und brauche irgendwann eine Pause. Eine sch?ne Stulle ist jetzt genau das Richtige für mich. “Bedrückt dich irgendetwas?”, fragt mich schlie?lich der Magier. “Wie kommst du darauf?” “So wie du heute k?mpfst, ist irgendetwas anders als beim letzten Mal.” “Ach, ich habe mich nur mit meinen Eltern gestritten.” Es folgt ein bedrückende Stille bis Torben erneut das Wort an mich richtet: “Willst du darüber reden?”
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Ich bin mir nicht sicher, ob meine Wenigkeit die richtige Ansprechperson für junge Frauen mit Problemen ist. Allerdings hilft es ja meistens schon, wenn einem jemand zuh?rt. Nach und nach sprudelt es aus Clara nur so heraus. Die Kriegerin erz?hlt mir von dem Streit mit ihren Eltern, davon, dass sie sich wünscht, dass Tom endlich mal mehr Rückgrat zeigt und Miriam auch mal ihre Meinung sagt. Sie erz?hlt mir vom Wirt Guido und was für ein Arsch er sei und wie die Wache Marco ihr immer “unauff?llig” hinterher schaut.
Schlie?lich kehrt wieder Stille in den Tunnel ein. Ich wei? nicht, was ich ihr sagen soll. Ich wei? nichts über das Leben auf Vera. Welche sinnvollen Ratschl?ge kann also jemand wie ich einer Sechzehnj?hrigen schon geben? Stattdessen erz?hle ich ihr ein wenig über mich. Wie ich in dieser H?hle aufgewacht bin und was mir seitdem widerfahren ist.
“Und ich dachte mein Leben w?re schon beschissen. Du kannst dich echt an gar nichts mehr erinnern?” Ich schüttle mit dem Kopf: “Hin und wieder schnappe ich ein paar Sachen auf, die mir bekannt vorkommen. Als mir die Wegweiserin zum Beispiel von Usenia erz?hlt hat, kam mir das Wort bekannt vor. Was aber Level, Klassen, Ausrüstungen und den ganzen anderen Kram angeht….” “Muss kacke sein, du zu sein.” Ich schaue die Kriegerin irritiert an. Diese f?ngt an zu lachen und ich schlie?e mich ihr kurz darauf an.
“Was wirst du also machen, wenn man dich nicht mehr als Abweichler erkennen kann?”, fragt mich Clara. “Ich werde mich auf die Suche nach Antworten machen. Irgendjemand muss ja N?heres über Abweichler wissen. Vielleicht finde ich in einer Stadt mehr über Leute wie mich heraus.” “Die n?chste Stadt liegt zwei Wochen n?rdlich von Mirheim. Allerdings solltest du nicht alleine durch den Wald reisen. Mein Vorschlag w?re, du schlie?t dich in Nistelheim einer H?ndlergruppe nach Torfbergen an. Auf diesem Wege bist du zumindest vor den meisten Raubtieren sicher.” Clara’s Vorschlag klingt nach einem guten Plan. Hoffentlich ist der ganze Spa? nicht so übertrieben teuer wie ein Wegweiser.
“Und was ist dein Plan für die Zukunft?”, frage ich die Kriegerin. “Ich will stark genug werden um meinen Bruder in einem Schwertkampf zu besiegen.” “Ist denn dein Bruder so ein f?higer Schwertk?mpfer?” “Worauf du aber wetten kannst! Klaus ist so talentiert, dass er bereits mit 14 Jahren Level 20 erreicht hat! Ein Jahr sp?ter hat er dann Mutter, Paps und mich zurückgelassen. In Mirheim konnte ihn einfach keiner mehr das Wasser reichen. Deshalb wollte er sich einer gr??eren Gilde anschlie?en um dort sein K?nnen weiter zu verfeinern. Er schreibt uns immer mal Briefe von seinen Abenteuern. Zum Beispiel sein Kampf gegen eine Schar Brunstküken war legend?r. Er...” Es scheint so als h?tte ich erneut unfreiwillig ein Fass ohne Boden ge?ffnet. Es k?nnte schlimmer sein. Zu sehen, wie die Frau von ihrem gro?en Bruder schw?rmt, zaubert mir ein L?cheln ins Gesicht. Vielleicht gibt es ja irgendwo da drau?en eine kleine Schwester, die genauso über mich denkt.